Pan, USA/GB/AU 2015 • 111 Min. • Regie: Joe Wright • Mit: Levi Miller, Hugh Jackman, Garrett Hedlund, Rooney Mara, Amanda Seyfried, Adeel Akhtar, Cara Delevingne• FSK: ab 12 Jahren • Verleih: Warner Bros. Germany • Kinostart: 8.10.2015 • Englische Website
Disneys Peter Pan ist ein gefeierter Klassiker und zog viele weitere Verfilmungen von J. M. Barries Stück nach sich, unter anderem Steven Spielbergs Hook und auch ein direktes Sequel, das, wie eigentlich alle Nachfolger von Disney-Klassikern, keine große Aufmerksamkeit erntete und bei der Kritik auch größtenteils durchfiel. Mit Pan erzählt Joe Wright (Wer ist Hanna?) erstmals die Vorgeschichte des Jungen, der niemals alt werden wollte. Pan ist dabei jedoch kein reinrassiges Prequel, baut also keine Brücke zum Original und spielt stattdessen viel mit eigenen Ideen. Das ist gut, denn so baut sich Joe Wright sein eigenes Nimmerland zusammen und lässt vielen kreativen Ideen freien Lauf. Das Konzept des Regisseurs, der sonst eher für etwas schwerere Kost (Abbitte, Anna Karenina) bekannt ist, lässt seine filmischen Vorspieler hinter sich, zumindest was Fantasie angeht.
Zu Anfang ist alles noch relativ gediegen. Gerade noch wird der kleine Peter (Levi Miller) nachts von seiner Mutter (Amanda Seyfried) unter Tränen vor ein Waisenhaus gelegt, schon katapultiert einen der Film ohne großen Aufbau ins Waisenhaus-Leben des rebellischen Jungen einige Jahre später. Joe Wright scheint davon auszugehen, seinen Protagonisten nicht wirklich einführen zu müssen, da Peter Pan bekannt ist. Das unglaublich hohe Tempo führt jedoch nicht nur im charakterlichen Aufbau zu Defiziten, wir bekommen auch keine Zeit, um uns an den Jungen, geschweige denn an das anfängliche Setting, zu gewöhnen. Es herrscht Krieg in London. Genau genommen der Zweite Weltkrieg und am Himmel fliegen die Bomber. Auch im Peters Waisenhaus lebt man in schlechten Verhältnissen. Der triste Alltag wird in ebenso grauen Bildern eingefangen, kreiert mit seinen aufgedrehtem Helden und den festgelegten Randcharakteren dazu aber eine märchenhafte Atmosphäre. Während alle Kinder nur ekelhaften grauen Brei aufgetischt bekommen, bunkert die böse Obernonne in ihrem Zimmer allerlei Leckereien und scheint zudem einiges mehr zu verheimlichen. Denn nachts verschwinden immer wieder unbemerkt Kinder und sie scheint etwas damit zu tun zu haben. Nachdem Peter beschließt, eine Nacht lang wach zu bleiben, um der Sache auf die Spur zu kommen, geht das Spektakel los. Ehe sich Peter versieht, fliegt er auf einem Schiff durch die Nacht und wird Zeuge einer Schießerei mit den patrouillierenden Kriegsflugzeugen.
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CGI bekommt immer viele negative Stimmen ab, die computergenerierten Bilder sind auf der Leinwand nun mal gar nicht gern gesehen. Und obwohl Filme wie der diesjährige Mad Max: Fury Road gezeigt haben, wie subtil gutes CGI visuell eingebunden werden kann, erfreut sich das "Behind The Scenes" zum kommenden Star-Wars-Film, das mit „echten Sets“ und „handgemachten Effekten“ prahlt, großer Beliebtheit. Nun gut, subtil genutzt werden die Animationen in Pan schon einmal nicht und echte Sets gab es beim Dreh wahrscheinlich auch so gut wie gar nicht. Und doch hat Joe Wright damit keinen Fehler gemacht. Man sieht jeden Trick in Pan und ja, wenn Peter im Weltraum durch die Luft fliegt und ganz furchtbar offensichtlich aus dem Rechner stammt, ist das schon mal etwas blöd. Aber die Bilderwelten, die hier erschaffen wurden, sind fantastisch, anders nicht visualisierbar und sind es seit langem mal wieder Wert, im Kino den 3D-Aufpreis zu zahlen. Nun ist dieser Film auch sehr auf seine visuellen Reize ausgelegt, und zwar so sehr, dass an einer Stelle des Films sogar ein Stück des Bildes abgeschnitten wird, damit der dreidimensionale Effekt besser wirkt, wenn ein Stab aus dem Bild herausragt. Es ist schon sehr zwiespältig, was Pan visuell abliefert. Der volle Genuss bleibt einem leider doch etwas verweigert, wird die Illusion durch zu cartooneske Einfälle und ihre nicht ausreichend illusionierende Umsetzung gestört.
Storytechnisch ist Pan nicht darauf ausgelegt, zielstrebig auf den Film von 1953 hinzuarbeiten. Diesbezüglich begnügt sich Wright damit, kleine Verweise auf den Klassiker einzubauen, die in ihrer subtilen Inszenierung unaufdringlich und wie eine kleine Hommage wirken. So still wie diese kleinen Extras ist jedoch weiterhin nichts. Schon wenn das Piratenschiff in die von Blackbeard (Hugh Jackman) beherrschte Bucht einfährt und der Piratenkönig mit seinen Sklaven zusammen Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ grölt, wird der Ton klar gemacht: Pan ist komplett abgedreht! Alle Darsteller spielen überzogen, allen voran Garrett Hedlund (Hook) und Hugh Jackman (X-Men – Zukunft ist Vergangenheit), der merkbar Spaß an seiner Rolle hat und mal so richtig am Rad dreht. Gelangweilt ist man nie. Das hohe Tempo bleibt aufrechterhalten und Pan klappert in Windeseile seine sehr kurz wirkenden 111 Minuten ab. Auf einmal schon sind die Helden bei der fehlbesetzten, aber trotzdem gut spielenden Rooney Mara/Tiger Lily und liefern sich eine spaßige, bunte Schlacht mit Blackbeards Piratenbande. Verschnaufpausen legt der Film selten ein, was zum Ende hin schon sehr ermüdend sein kann. Die kleinen Momente sprühen dann aber vor Magie, bevor man sich wieder ins Getümmel schmeißt. Das ist alles ein ganz schönes Chaos, macht aber bis zum Finale echt Laune. Im sowieso recht lang geratenen Showdown verliert der Film leider nicht nur an mitreißender Kraft und Elan, sondern auch an seiner sonst so tragenden visuellen Opulenz und der Zuschauer an Überblick im funkelnden Action-Chaos.
Pan ist ein auf- und abgedrehter 3D-Kinospaß, der weiß, was er möchte. Die großen Ambitionen legen jedoch öfter einmal große Wunden offen. Ein kleiner Blender ist der Film schon, diesem optischen Genuss gibt man sich jedoch gerne hin. Wer sich übrigens auf Amanda Seyfried (Ted 2) oder Supermodel Cara Delevingne (Margos Spuren) gefreut hat, wird sich mit wenigen Sekunden Screentime zufrieden geben müssen (Delevingne sogar ohne ein einziges Wort).