Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus
Seltsames Durcheinander
Gleich zu Beginn reißt Joe Wrights Neuinterpretation der Peter-Pan-Figur einen spannenden Aspekt an: Große Feinde können früher gute Freunde gewesen sein, flüstert uns eine Stimme von der Leinwand zu. Ist der berüchtigte Hook in James Matthew Barries Ursprungsgeschichten als ärgster Widersacher des ewig kindlichen Titelhelden bekannt, zeigt der aktuelle Blockbuster Pan, wie die beiden Seite an Seite gegen finstere Gesellen kämpfen. Allerdings legt der Film leider nur wenig Augenmerk auf ihre Beziehung und umgeht – in der Hoffnung auf eine Fortsetzung – konsequent die reizvolle Frage, weshalb es zum Bruch zwischen Pan und Hook kommen wird. Das Interesse von Wright und Co. gilt stattdessen computerlastigen Spektakelszenen, die stellenweise beeindrucken können, das bunte Treiben aber auch in ein willkürliches Potpourri unterschiedlicher Stimmungen und Einfälle verwandeln.
Konzipiert ist Pan als Prequel zu den bekannten Erzählungen aus Barries Feder: Während der Zweite Weltkrieg erbarmungslos wütet, fristet der 12-jährige Peter (solide: Levi Miller) ein trostloses Dasein in einem Londoner Waisenhaus, aus dem immer wieder Kinder verschwinden. Eines Nachts wird der aufmüpfige Junge schließlich Zeuge, wie sich Piraten von einem fliegenden Schiff in den Schlafsaal abseilen, um mehrere Bewohner zu entführen. Auch Peter bleibt nicht verschont und findet sich nach einer turbulenten Reise in Neverland wieder, wo der durchtriebene Kapitän Blackbeard (Hugh Jackman) unzählige Sklaven – darunter auch den bärbeißigen Hook (Garrett Hedlund) – zum Abbau von Feenstaub zwingt. Als sich der Neuankömmling gegen das brutale Ausbeutungssystem auflehnt, wird er zum Tode verurteilt, entdeckt beim Sturz in einen Abgrund allerdings, dass er fliegen kann. Eine besondere Gabe, die auf eine außergewöhnliche Bestimmung schließen lässt.
Bei Peter Pan denkt man zuallererst an grenzenlose Abenteuerlust und kindliche Unbekümmertheit, die auch in dieser Filmvariante mehrfach beschworen werden. Gleichzeitig muten Wright und Drehbuchautor Jason Fuchs ihrem kleinen Protagonisten aber auch eine große Verantwortung zu, muss er doch irgendwann erkennen, dass er und seine Mutter (Amanda Seyfried), die ihn einst heimlich ausgesetzt hat, aufs Engste mit Neverland verbunden sind. Überraschend oder originell ist die Erweckungsgeschichte, die den Zuschauer hier erwartet, leider nicht. Die meisten Stationen werden eher pflichtbewusst abgehakt und gehen außerdem nur bedingt ans Herz, was auch daran liegt, dass zwischen den Figuren keine richtige Dynamik entsteht. Hook, der von Garrett Hedlund ohne erinnerungswürdige Verve verkörpert wird, ist ein bemüht lässiger Sprücheklopfer, dessen one-liner zumeist wirkungslos verpuffen. Und die von Rooney Mara gespielte Indianerin Tiger Lily – die Besetzung mit einer weißen Darstellerin sorgte im Vorfeld für einigen Wirbel – macht fast ausschließlich durch ihr kurioses Aussehen auf sich aufmerksam. Spaßig wird es nur dann, wenn Hugh Jackman – ebenfalls exzentrisch kostümiert – als verschlagener Antagonist mit Hang zu grenzenloser Theatralik die Bühne betritt.
Absurditäten bietet Pan nicht nur in der Aufmachung seiner Figuren. Auch die Musikauswahl hat durchaus Irritationspotenzial. Etwa als Peter und die anderen entführten Kinder zum ersten Mal Blackbeards Mine erreichen und ihnen die anwesende Sklavenmeute den Nirvana-Song „Smells Like Teen Spirit“ entgegenschmettert – eine wuchtige Massenszene mit befremdlichen Nebengeräuschen. Verwunderlich ist darüber hinaus, dass die Untermalung einiger Actionpassagen an vertraute Klänge aus Fluch der Karibik erinnert. Thematisch mag das passend sein, dennoch drängt sich der Eindruck einer billigen Kopie zwangsläufig auf.
Anders sieht es da schon bei der optischen Gestaltung aus, mit der Wright einige Ausrufezeichen setzen kann. Einen echten Wow-Effekt generiert der Film beispielsweise in dem Moment, als ein uralter Baumstamm zum Leben erwacht und kleine Holzfigürchen auf plastische Weise eine Kriegsgeschichte erzählen. Ähnliches spielt sich auch in einer Szene ab, in der Peter in einem magischen Fluss auf Tauchgang geht und vor seinen Augen vergangene Ereignisse vorbeiziehen sieht. Kreative Ideen wie diese gibt es zuhauf. Dummerweise gehen sie jedoch allzu oft im Getöse der manchmal ermüdenden Kampf- und Fluchtsequenzen unter. Besonders deutlich wird dies auch im Showdown, der zu sehr in überkandideltes Blockbuster-Gewimmel verfällt. Vom eigentlichen Pan-Zauber bleibt spätestens hier nicht mehr viel übrig – selbst wenn die letzten Bilder, die den Aufbruch zu neuen Abenteuern andeuten, etwas anderes vermitteln wollen.
Gleich zu Beginn reißt Joe Wrights Neuinterpretation der Peter-Pan-Figur einen spannenden Aspekt an: Große Feinde können früher gute Freunde gewesen sein, flüstert uns eine Stimme von der Leinwand zu. Ist der berüchtigte Hook in James Matthew Barries Ursprungsgeschichten als ärgster Widersacher des ewig kindlichen Titelhelden bekannt, zeigt der aktuelle Blockbuster „Pan“, wie die beiden Seite an Seite gegen finstere Gesellen kämpfen.